ROW Theaterglas LUXOSTAR


ROW Theaterglas LUXOSTAR - Opernglas VEB Rathenower Optische Werke Herrmann Duncker Fernglas
Für eine größere Ansicht auf das Bild klicken



Dieses kleine Theaterglas oder Opernglas mit der Bezeichnung LUXOSTAR wurde hergestellt vom VEB Rathenower Optische Werke "Herrmann Duncker" (ROW), also von einem volkseigenen Betrieb der DDR. Die ROW konnte dabei auf eine lange Tradition in der Fertigung optischer Geräte zurückgreifen.
Bereits 1801 erhielt Johann Heinrich August Duncker (14.01.1767 - 14.06.1843), ein Prediger der Sankt-Marien-Andreas-Kirche, das königliche Privileg zum Betrieb einer optischen Industrieanstalt, die er zusammen mit Samuel Christoph Wagener (ebenfalls ein Prediger) führte. Duncker hielt zudem ein Patent auf eine Vielschleifmaschine, mit deren Hilfe es möglich war, sehr gleichmäßig geschliffene Gläser für optische Geräte und Brillen herzustellen. Anfangs beschäftigten Duncker und Wagener Waisenkinder und invalide Soldaten, ein aus heutiger Sicht sehr fragwürdiges Vorgehen - damals jedoch eine willkommene Erwerbsmöglichkeit für seine Arbeiter, die ansonsten auf die nur äußerst rudimentären Hilfeleistungen der Gemeinde angewiesen wären.1
Im weiteren Verlauf erwies sich Dunckers Gründung als sehr erfolgreich und produzierte auch an anderen Standorten durchgängig bis zum Ende des II. Weltkriegs. Danach erfolgten verschiedene Zusammenschlüsse und Einstufungen bis zur Angliederung an das Kombinat Carl-Zeiss-Jena im Jahr 1978. Nach dem Ende der DDR wurde die ROW privatisiert und schlussendlich aufgelöst, wobei einige Immobilien des Unternehmens noch immer bestehen. Dennoch behielt die Stadt Rathenow bis heute den Ruf als Optik-Standort, da nach der Gründung Dunckers im 19. Jahrhundert in Rathenow eine Reihe weiterer optischer Betriebe entstanden und auch in der Gegenwart noch optische Geräte in Rathenow produziert werden.2

Zum Theaterglas:
Der genaue Produktionszeitraum des Theaterglases lässt sich nicht genau ermitteln. Vom Aussehen und der Verarbeitung her könnte es sowohl aus den späten 1960er Jahren als auch den 1970er Jahren stammen. Wahrscheinlich wurde es bis weit in die 1980er Jahre hergestellt, da es sich in dem Druckwerk Zentraler Artikelkatalog der Volkswirtschaft der DDR (Katalog 138 56/57) von 1981 als Produkt findet. Dieser Quelle wurden auch die nachfolgenden technischen Daten entnommen:


----------------------------------
Hersteller: ROW
Theaterglas Luxostar
Gütezeichen: Q
Preisbildung: PAO 4018
Vergrößerung: 2,5fach
Objektiv Ø: 16 mm
Sehfeld auf 100 m: 24 m
Abmessungen: (95×23×31) mm
Masse: 0,110 kg
Aufbau und Wirkungsweise:
Galileisches Fernglas mit knickbarer Brücke und Mitteltrieb für die Entfernungseinstellung
Art.-Nr. 138 57 12 103. . . . . .
----------------------------------


An gleicher Stelle finden sich auch Hinweise auf Variationen des Produkts. Während das hier behandelte Theaterglas verchromte Bauteile aufweist (Nr. 501130:001.22), soll eine andere Variante (501130:002.22) entsprechend vergoldete Bauteile besitzen; eine dritte Variante (501130:003.22) soll zudem einen gravierten Schriftzug "Revue" (nicht zu verwechseln mit der Marke 'Revue' des westdeutschen Versandhauses Quelle, unter der optische Geräte russischer und japanischer Herkunft vertrieben wurde) getragen haben und komplett vergoldet gewesen sein. Ob die Variante 501130:003.22 überhaupt jemals in Produktion ging bzw. in den Handel kam (und falls ja, in welcher Stückzahl) kann fraglich sein, da sich diese Variante nirgendwo als tatsächliches Produkt finden lässt; auch die Variante 501130:002.22 (vergoldete Bauteile) findet sich nur sehr selten. Zudem scheint es ein Vorgängermodell namens THEASTAR gegeben zu haben, dessen Gestaltung auf einen Fertigungszeitraum von den 1950ern bis in die 1960er Jahre schließen lässt. Der Fertigungszeitraum des hier behandelten LUXOSTAR könnte also ca. 20 Jahre (Ende der 60er bis Ende der 80er Jahre) umfassen, womit es als "jüngeres Vintage" bezeichnet werden könnte.
Das Luxostar Opernglas ist sauber verarbeitet und liefert – trotz des geringen Linsendurchmessers und entsprechend geringem Lichteinfall – ein recht gutes und scharfes Bild (vgl. Foto). Die Technik ist einfach. Mittels des Mitteltriebs werden die Linsen nach vorn oder hinten transportiert, die Größe ist durch einfache Verstellung der Brücke variabel. Der heute bei Ferngläsern aller Art häufig zu findende Dioptrienausgleich ist selbstverständlich nicht vorhanden. Die Griff-Flächen weisen eine Belederung (Kunstleder) auf, um einen sicheren Halt zu bieten. Die kleine Tasche, in der das Glas untergebracht werden kann, besteht ebenfalls aus Kunstleder, ist jedoch sehr passgenau, musste allerdings gesondert bezahlt werden.
Das Theaterglas kann sehr leicht durch Auseinanderschrauben zerlegt und somit auch innen gereinigt werden, ist also keineswegs als billiges Wegwerfprodukt konzipiert, sondern wertig und auf Langzeitbenutzung hin verarbeitet.
Ausgeliefert wurde das Theaterglas in einem kleinen Karton, der hier leider fehlt. Allerdings lassen sich im Internet Fotos dieses Kartons in den Farben dunkelblau, hellblau und weiß finden, der folgende Beschriftungen bzw. Bebilderungen aufwies:


Karton Vorderseite:
Abbildung des Theaterglases

Karton Seite:
Theaterglas LUXOSTAR

Karton Kopfseite:
VEB Rathenower
Optische Werke
"Herrmann Duncker"

Hergestellt in der DDR
Wortbildmarke ROW Rathenow

Karton Unterseite:
LUXOSTAR verchromt
Wortbildmarke ROW Rathenow
Hergestellt in der DDR
HSL Z472210/56810
ELN 13857121 TGL 19054
EVP 51,- M + 3,75 M Lederb.


Insgesamt betrug der Einzelhandelsverkaufspreis (EVP) für das Opernglas inklusive der Aufbewahrungstasche also 54,75 Mark (zum Vergleich: Das monatliche Durchschnittseinkommen betrug 1981 in der DDR 1021 Mark3).
Die anderen Abkürzungen waren dabei auch bei anderen DDR-Produkten üblich und bezeichneten dabei die Handelsschlüssellistennummer (HSL), die Erzeugnis- und Leistungsnomenklatur (ELN) sowie die Technischen Güte- und Lieferbedingungen (TGL, ähnlich der westdeutschen DIN)4.

Insgesamt ein auch heute noch brauchbares und aufgrund seiner geringen Abmessungen und des geringen Gewichts gut mitführbares und recht wertiges Gerät.



Dr. U. Janatzek, M.A. – 18.08.2021



_______________________________
 1 Vgl. Stadtverwaltung Rathenow o. J.: 15.
 2 Vgl. ebd.: 17 – 21.
 3 Vgl. Statista o. J.
 4 Vgl. Sorms 2013.



Quellenangaben:

O.A. / Hrsg. (1981): Zentraler Artikelkatalog der Volkswirtschaft der DDR (Katalog 138 56/57). K.w.A.

Sorms, Michael (2013): Gütezeichen der DDR. Unter: https://www.dresdner-kameras.de/firmengeschichte/guetezeichen/guetezeichen.html, 24.08.2021.

Stadtverwaltung Rathenow (o. J.): Geschichte der optischen Industrie in Rathenow. Unter: https://www.rathenow.de/fileadmin/rathenow-de/Tourismus/PDF/Geschichte_der_optischen_Industrie_in_Rathenow.pdf, 24.08.2021.

Statista (o. J.): Durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitseinkommen der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) von 1949 bis 1989. Unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/249254/umfrage/durchschnittseinkommen-in-der-ddr, 24.08.2021.

ROW Theaterglas LUXOSTAR - Opernglas VEB Rathenower Optische Werke Herrmann Duncker Fernglas